„Ich will für den Verein und die Menschen da sein“

Er ist sein halbes Leben lang Ehrenamtler. Dennis Hammer ist deshalb nicht nur beim TSV Bassum eine Institution. Im Interview spricht er über seine Laufbahn, den TSV und ein Leben (fast) ohne Fußballpause.

Herr Hammer, Sie haben den Bassumer Sportplatz mal als Ihr zweites Zuhause bezeichnet. Inwiefern gilt das noch in diesen Tagen?

Dennis Hammer: Ich würde gern häufiger hier sein. Momentan ist aber alles gesperrt. Wir können nicht in die Kabinen, es findet kein Training und auch keine Spiele statt. Aber trotzdem ist das hier immer noch mein zweites Zuhause.

Sie engagieren sich beim TSV Bassum in der Spartenleitung, als Jugendtrainer und im Förderverein, sind zudem für den Fußballkreis aktiv. Warum machen Sie das alles?

Das ist eine gute Frage. Vor allem, weil ich den Fußball liebe und großer Fußballfan bin. Ich will für den Verein und die Menschen da sein, die für den TSV Bassum Fußball spielen wollen. Wenn du dann in die strahlenden Gesichter der Jungs schaust oder sie dir eine Nachricht schreiben, in der sie sich für das Training oder das Spiel bedanken, dann ist das schon toll. Ich habe im Dezember Weihnachtskarten von Spielern bekommen, die gar nicht mehr für Bassum aktiv sind, andere haben eine Tüte mit selbstgebackenen Keksen vorbeigebracht. Daraus zieht man die Motivation.

Sie waren blutjung, als Sie mit Michel Stührmann Ihr erstes Traineramt beim TSV übernahmen. Wie kam es dazu?

Michel war mein bester Kumpel. Wir sind zusammen zur Schule gegangen, haben gemeinsam angefangen, Fußball zu spielen. Wir haben tagtäglich Zeit auf dem Bolzplatz verbracht. Wir haben in der Saison 2007/2008 in der zweiten B-Jugend keinen richtigen Trainer gehabt. Da haben wir uns gefragt: Wollen wir nicht selbst Trainer werden? Ich kann mich noch genau daran erinnern: Wir standen auf dem Sportplatz und haben gedacht, dass man das erst darf, wenn man 18 Jahre alt ist. Wir waren ja erst 14 und 15 und kannten uns mit Dingen wie der Spartenleitung überhaupt nicht aus. Also haben wir recherchiert. Ich habe dann Jürgen Schäfer eine E-Mail geschickt. Wir haben uns kurz darauf im Vereinsheim getroffen, und dann ging es ganz schnell.

Sie wurden Trainer der dritten E-Jugend

Genau. Jetzt im Nachhinein weißt du auch, die Jungs wollte vielleicht damals keiner trainieren (lacht). Aber wir wollten das. Wir waren nur ein paar Jahre älter, aber wir hatten auf einmal eine Mannschaft. Das waren damals 17 Jungs. Jürgen Schäfer und Jugendleter Ulli Butt haben uns unter die Arme gegriffen, und Michel und ich haben unser Ding gemacht.

Dieser Einsatz ist schnell über Bassum hinaus bekannt geworden

2008 sind wir ins Fernsehen gekommen zu „Buten und binnen“ und haben kurz darauf die Auszeichnung mit dem deutschen Nachwuchsförderpreis und dem Titel „Deutschlands jüngster Fußballtrainer“ erhalten. Und dann warst du voll drin als Trainer. Du hast gemerkt, es macht total Bock, Verantwortung zu haben und zu sehen, dass die Kinder zum Training kommen. Ich habe mich für den Trainerlehrgang angemeldet. Das ging eigentlich noch gar nicht, weil ich zu jung war. Bestanden habe ich trotzdem und dann mit 16 den Schein bekommen. Das ist schon spannend, wenn man heute darüber nachdenkt: Ich war 14 Jahre alt, die anderen Teilnehmer so um die 30 oder 40. Bianca Eller, die in Neubruchhausen Trainerin war, hat mich auf dem Weg nach Seckenhausen eingesammelt. Ich hatte kein Auto und meine Eltern konnten auch nicht zweimal pro Woche fahren.

Der Nachwuchsförderpreis war verbunden mit einem ganzseitigen Bericht in der Sportbild. Wie oft schauen Sie ihn sich noch an?

Die Sportbild liegt tatsächlich noch unter meinem Stubentisch, und ein Bilderrahmen mit dem ausgedruckten Bericht hängt im Flur. Es ist für mich wirklich etwas Besonderes, in Europas meistverkaufter Sportzeitung zu stehen. Da war und ist man mega stolz drauf. Rückblickend ist man sogar noch stolzer als damals.

Warum?

Damals war es eine andere Zeit. Es war etwas Besonderes, dass wir in dem Alter schon Trainer waren. Das gab es eigentlich gar nicht. Heute packen 15-, 16-, 17-Jährige oft bereits als Trainer oder Betreuer mit an. Im Kreis hatten wir damals aber ein Alleinstellungsmerkmal.

Ihre Laufbahn wurde von Beginn an öffentlich begleitet. Sie standen als Jugendlicher im Fokus. Hat Sie das verändert?

Es ist auf jeden Fall viel auf einen eingeprasselt. Ich war damals sehr zurückhaltend und schüchtern. Es fiel mir schwer, vor Leuten zu reden. Das musstest du dann zwangsläufig im Training, auch wenn es nur vor Kindern war, aber auch in Gesprächen mit Eltern und Sponsoren. Rückblickend hat die Aufgabe mir extrem viel gebracht. Mittlerweile habe ich überhaupt kein Problem mehr, auf der Berufsmesse vor 500 Leuten zu sprechen. Ich habe mich dank der Trainertätigkeit weiterentwickelt.

Sie haben gesagt, dass sich mittlerweile einige Jüngere im Sport engagieren. Gibt es also kein Ehrenamts-Problem?

Wir sind in Bassum in der glücklichen Lage, dass wir derzeit alle Mannschaften besetzen können. Wir würden sie aber natürlich gern häufiger mit zwei oder drei Trainern besetzen, um es für alle entspannter zu machen. In den letzten ein, zwei Jahren können wir uns über Nachwuchs nicht beschweren, aber man muss als Sparte weiterhin hartnäckig um jeden Ehrenamtlichen kämpfen. Es bleibt eine Daueraufgabe.

Wie könnte man mehr Menschen für das Ehrenamt begeistern?

Meiner Meinung nach müsste die ehrenamtliche Arbeit noch mehr in den Vordergrund gestellt werden. Nicht unbedingt durch Geld, sondern durch Dankbarkeit. Die Weihnachtskarte ist so ein Beispiel: Darüber freust du dich als Trainer und kannst auf 50 Euro verzichten. Kleine Gesten machen den Unterschied. Man darf nicht vergessen: Du bist ja nicht nur Trainer und beschäftigst 17, 18, 19 Spieler. Du bist auch mal Freund und Kumpel oder auch einfach derjenige, der zuhört, gerade im älteren Jugendbereich.

Wie hat sich der Anspruch an einen Trainer verändert?

Die Erwartungshaltung von Spielern und Eltern ist groß. Du musst dich schon um die Ausstattung kümmern. Akquise betreiben, Klinken putzen. Das fällt einigen schwer, anderen weniger. Ich selbst mache das extrem gerne. Ich muss häufig nur noch eine Nachricht schreiben oder eine Sprachnachricht schicken, dann kommt kurz darauf schon die Antwort: Such dir was aus. Das sind die liebsten Sponsoren. Aber ich weiß auch, dass das so nicht üblich ist. Viele müssen kämpfen. Man muss auf die Menschen zugehen. Es wird kaum ein Unternehmen auf dich zukommen und sagen, ich gebe dir 5000 Euro. Aber du musst das als Mannschaft auch wertschätzen und diese Verbindung pflegen.

Haben Sie wegen des großen Aufwands Ihre Fußballschuhe an den Nagel gehängt?

Mir macht die Aufgabe als Trainer einfach mehr Spaß. Die Jungs, die ich trainiere, wissen auch, dass sie fußballerisch besser sind. Martin Scharf hat trotzdem mal angefragt, ob ich in seiner Dritten spielen will. Das schaffe ich zeitlich aber nicht. Vor fünf Jahren habe ich tatsächlich mal ausgeholfen. Wir haben in Bramstedt gegen AS United gespielt, meine halbe Mannschaft hat zugeguckt. Nach zehn Minuten gab es einen Strafstoß. Da hat mir unser Kapitän den Ball in die Hand gedrückt, und ich dachte nur: Oh Gott. Aber ich habe ihn reingemacht. Ich hatte mein Herrentor und konnte in Ruhe aufhören. Meine Stärken liegen mehr in der Menschenführung und der Motivation.

Mit wie vielen Jungs aus der dritten E-Jugend von damals haben Sie noch Kontakt?

Wir schreiben uns und schnacken, wenn wir uns sehen. Auch mit den Eltern. Der Kontakt mit den Jungs, die man in den letzten vier, fünf Jahren hatte, ist aber enger. Besonders mit den Jahrgängen 2000 und 2001. Da sind richtige Freundschaften entstanden. Das ist tatsächlich eine besondere Verbindung. Es hat wirklich gepasst. Als diese Jungs dann in ihrer A-Jugendzeit im Herbst nochmal angeklopft haben, ob ich sie übernehmen kann, weil es sportlich und zwischenmenschlich mit dem damaligen Trainer nicht gepasst hat, habe ich deshalb sofort zugesagt. Das hat uns noch mehr zusammengeschweißt. Wir waren damals Letzter und haben den Klassenerhalt noch geschafft.

Sind Sie auf die Jungs, die den Sprung in die erste Herrenmannschaft geschafft haben, besonders stolz?

Von den Jüngeren, die dort spielen, habe ich eigentlich alle trainiert. Es ist schön, wenn die Jungs im Verein bleiben. Die Mannschaftszugehörigkeit ist eigentlich egal, Hauptsache sie haben weiter Spaß am Fußball.

Sie haben viel über den Fußballalltag hinaus gemacht, waren mit den Jugendlichen des TSV beim Gothia-Cup in Schweden oder der Spain Trophy in Spanien. Müssen Sie Ihre Akkus nie aufladen?

Ich wollte dreimal eine Pause machen. In der Spartenleitung und beim NFV nicht, aber vom kraftraubenden Trainergeschäft. Ohne Corona ist Dienstag der einzige Tag, an dem ich nicht auf dem Sportplatz bin. Dann lege ich mich nach der Arbeit aufs Sofa und gehe auch nicht ans Telefon. In der Corona-Zeit weiß man aber umso mehr, was man an dieser Traineraufgabe hat: Es ist selbst gemachter, aber positiver Stress, weil du einfach Bock darauf hast. Aber gerade, wenn du eine Mannschaft hast, mit der es sportlich und menschlich extrem gut läuft, kommt der Punkt, an dem du über eine Pause nachdenkst. Wenn du in der neuen Saison eine neue Mannschaft bekommst, denkst du, es kann nur schlechter werden. Ich bin ein sehr emotionaler Typ, der mit den Jungs sehr verbunden ist. Eine Pause habe ich aber tatsächlich nur einmal gemacht in der Saison 2019/20. Zweimal bin ich wieder eingesprungen.

Aber diese eine Pause konnten Sie genießen?

Ich war im Herbst auf Rundreise in Sri Lanka und den Malediven. Da stand für mich schon wieder fest: Es geht nicht ohne. Im September und Oktober hat es schon wieder gekribbelt. Da wusste ich, dass ich die B-Jugend machen will, die ich heute trainiere. Dem Kopf tat es trotzdem gut, mal runterzukommen.

Jetzt sind Sie wie alle anderen Sportler in der Zwangspause. Warum blicken Sie trotzdem optimistisch nach vorn?

Weil alle, die Fußball spielen, Trainer oder Schiedsrichter sind, gerade merken, dass sie diesen Aufwand, den sie betreiben, doch vermissen. Alle haben Bock darauf, wieder loszulegen. Ich glaube, wenn wir das erste Mal wieder auf dem Trainingsplatz stehen werden, das erste Spiel haben und das erste Tor schießen, wird es etwas richtig Besonderes sein.

Wie wird es für Sie persönlich weitergehen? Reizt Sie das Amt als Herrentrainer?

Natürlich ist das Ziel, irgendwann auch mal die Herren zu trainieren, gerade auch mit Hinblick darauf, die Jungs zu trainieren, die man in der B- oder A-Jugend mal hatte. Momentan kommt das für mich aber noch nicht in Frage. Da bin ich mit 28 Jahren für die Herren noch zu jung. Auch wenn ich mir das zutraue.

Und wie sind Ihre Pläne in der Spartenleitung und beim Fußballkreis?

Jürgen (Schäfer, Spartenleiter, Anm. d. Red.), Sven (Plaumann, Sportliche Leitung Senioren und Finanzen) und ich haben noch viel vor, auch wenn es manchmal mühselig ist. Wir wollen uns für die Sportler einsetzen. Wir sind einer der größten Fußballvereine im Kreis Diepholz. Wir werden weiter darum kämpfen, dass die Umstände besser werden. Beim NFV ist es noch eine ganz andere Aufgabe. Sie ist administrativ. Da kommst du mit anderen Vereinen in Kontakt, lernst andere Sichtweisen kennen. Das kann man alles miteinander kombinieren, um den Fußball besser zu machen.

Sie sehen also in keiner Funktion ein Ende nahen?

Um Gottes willen! Da würde mir das Wichtigste in meinem Leben derzeit fehlen. Mein Leben ist durch den TSV und den Fußball bestimmt. Das habe ich mir selber so ausgesucht. Ohne kann ich es mir auch nicht vorstellen.

Das Gespräch führte Thorin Mentrup.

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